Ständig ist irgendwas kaputt

Ständig ist irgendwas kaputt

Warum haben wir in Ghana eigentlich ständig Reparaturen? Der Bus muss repariert werden, die Mauer ist zusammengefallen, das Dach hat ein Leck, die Fahrräder haben alle einen Platten.

Gefühlt ist ständig etwas zu reparieren. Wir überlegen dann natürlich immer was wir beim nächsten mal besser machen können. Wir reflektieren dann, warum das Material nicht so gehalten hat, wie wir dachten, ob die Firma, die wir beauftragt haben, nicht gut gearbeitet hat oder ob durch die viele Benutzer einfach öfter Sachen kaputt gehen.

Natürlich kann man das nicht pauschal sagen. Aber definitiv haben wir ein paar Dinge im Laufe der letzten 10 Jahre Vereinsarbeit unterschätzt und gelernt. Die wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten.

Das Klima.

In Ghana herrscht tropisches Klima. Der Nähe zum Äquator geschuldet. Das ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es keine 4 Jahreszeiten, sondern 2 Jahreszeiten gibt: Regenzeit und Trockenzeit. Diese wechseln sich circa quartalsweise ab. Weiterhin ist es ganzjährig warm bis heiß und die Niederschlagsmenge ist ziemlich hoch, weswegen natürlich auch alles Mögliche wächst und gedeiht und man die Mangos quasi direkt vom Baum pflücken kann. Was gut für tropische Früchte ist, ist nicht unbedingt gut für Zement, Sand & Co. Alle möglichen Materialien verwittern schneller. Und wenn es regnet, dann regnet es richtig. Mit richtig ist monsunartig gemeint. Überschwemmungen sind in der Regenzeit normal. Keller hat eigentlich niemand. Aber Dächer, Fundamente und Baumaterial halten so natürlich nicht so lange Stand, wie unter den klimatischen Bedingungen in Deutschland zum Beispiel.

Billig ist besser.

Wie auch hierzulande ist in Ghana der Sparfuchs der Gewinner. Denken zumindest einige. Vor allem bei größeren Projekten schluckt jeder erstmal, wenn er oder sie die Summe unterm Strich sieht. Da ist es doch von Vorteil bei den Produktpreisen vom Minimalsten auszugehen. Denkt man. Vor allem, wenn man Geldzuschüsse erhält. Mit der Globalisierung kamen zu den regionalen Produkten auch noch internationale Produkte hinzu. In Tamale ist es daher nicht selten Produkte mit chinesischen Schriftzeichen zu finden. Die sogenannten „China-Products“ sind beliebt. „Sie sind günstiger.“, sagen die Verbraucher, sagen die Verkäufer, sagen allerdings nicht die lokalen Hersteller. Für sie sind es Wettbewerber. Auch wir sind nicht von diesem Prinzip überzeugt und sprechen mittlerweile bei jedem unserer Bauprojekte intensiv über die Materialqualität. Qualität ist erstmal teurer, aber oft eine gute Investition, auf die weniger Reparaturkosten folgen.

Kinder.

Kinder spielen. Kinder rennen. Kinder schmeißen sich hin. Kinder wachsen rasend schnell. Und das in unserem Fall immer mit dem gleichen Paar Schuhe, der selben Hose, dem selben Lieblings-Tshirt. Der Schulrucksack wird in die Ecke gehauen, wenn man nach Hause kommt. Man bleibt hängen an einer Kante. Gibt es überall auf der Welt. Auch bei uns. Es gab mal eine Zeit, da war ich sogar empört, wenn ich nach 2 Jahren wieder in Ghana eintraf und die damals neuen Schuhe kaputt in der Ecke lagen. Wenn die neu bezogenen Matratzen Risse hatten. Mittlerweile, nach mehreren Monaten über einen Zeitraum von 10 Jahren, den ich im Waisenhaus verbrachte, verstehe ich es. Das sind eben Kinder. Kinder, die oft nur 1 Paar Schuhe haben, die nachts noch einpinkeln, die mit dem Fahrrad über Scherben fahren, die auf dem Schulhof rangeln. Es sind 18 Kinder, deswegen fällt es mehr auf, aber letztlich sollte man sich über solche Dinge nicht ärgern.

Aus zweiter Hand.

Vielleicht ist es nicht jedem bekannt, aber in Ghana landen jedes Jahr viele Tonnen Elektroschrott² und alte Fahrzeuge aus Europa³. Ausgediente Geräte und Autos werden sortiert, teilweise repariert und wiederverkauft. Eigene Geräte im Bereich Mobilität und Elektronik werden kaum hergestellt. Was haben alte Geräte typischerweise an sich? Genau, sie gehen schneller kaputt. Garantie ist im ghanaischen Gesetz sowieso ein Fremdwort. Die Kunst der Ghanaer allerdings ist es, auch alles reparieren zu können. Sie sind wahre Bastler. Sie nehmen alles in Einzelteile auseinander, finden das Leck, reparieren es mit den kreativsten Mitteln und bauen alles wieder zusammen. Der Nachteil der Geräte aus anderen Ländern und Kontinenten ist eben auch, dass es keine oder kaum Ersatzteile gibt. Deshalb gibt es gar keine andere Möglichkeit, als kreativ mit anderen Mitteln zu reparieren. Heißt aber im Umkehrschluss auch, dass man die Uhr stellen kann, bis die nächste Reparatur ansteht. So auch bei unserem Bus, den Kühlschränken, Laptop und Co. Reparaturkosten nerven, aber wir haben uns auch schon daran gewöhnt. Und versuchen natürlich darauf zu achten, ähnlich wie bei Bauprojekten, beim Neukauf zu Qualität zu raten. Ein Erfolgsmodell im Bereich Fahrzeuge ist der sogenannte „Motorking“4. Hergestellt in Ghana, ist das Gefährt mit seinen 3 Rädern bestens geeignet für die von Monsunen zerfurchten Straßen, hat einen starken Motor auch für schwere Lasten und kann problemlos überall repariert werden. So einen Motorking haben wir deshalb auch. Für die Bus-Reparaturphasen, also immer eine Alternative um Einkäufe zu tätigen und von A nach B zu kommen.

Vermutlich würde mir noch viel mehr einfallen, aber dabei belasse ich es erstmal. Auffällig ist, dass ich zu Beginn meiner engen Zusammenarbeit mit unserem ghanaischen Projektpartner einige Dinge mit zweierlei Mass gemessen haben und die dortigen Umstände außer Acht gelassen habe. In Deutschland zum Beispiel rege ich mich darüber auf, wenn Leute immer direkt neue Sachen kaufen, anstatt die Alten zu reparieren. In Deutschland hätte mich sicher nicht aufgeregt, wenn eine Freundin ihrem Kind jedes Jahr neue Schuhe kauft, weil die alten kaputt, zu klein oder nicht mehr modisch sind. In Deutschland kommt wochenlang in den Nachrichten und es werde Nothilfen gegeben, wenn es Überschwemmungen gibt. In Ghana gibt auch all diese Sachen, oft nicht selbst verschuldet. Vor allem die wirtschaftlichen und ökologischen Komponenten führen in Ghana oft dazu, dass (in unserem Fall) vor allem Bauprojekte anders geplant werden müssen. Das wissen wir heute und machen das Beste draus.

 

² https://www.tagesschau.de/ausland/ghana-elektroschrott-101.html

³ https://www.dw.com/de/dreckige-diesel-für-osteuropa-alte-autos-nach-afrika/a-44805459

4 http://www.motorkingltd.com

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